Lehm, Holz, Stroh – „alles“, was ein Haus braucht

Lehm, Holz und Stroh könnte man mit Fug und Recht als die Dreifaltigkeit des ökologischen Bauens bezeichnen – welches in Zeiten der Klimakrise und einem stetig wachsenden Bedürfnis nach angenehmem und gesundem Wohnen wichtiger ist als je zuvor.

Holz und Stroh: das stabile Duo
Strohballen, ein nachwachsender Rohstoff, sind günstige, regional verfügbare, leicht zu verputzende, ausgesprochen energieeffiziente Kohlenstoffsenken und stabil genug, um ein Haus zu tragen – ein sympathisches, natürliches, sehr gut wärme- und schalldämmendes Material. Das gilt großteils genauso für Holz, wobei sich die beiden Materialien im hierzulande üblichen Holzständerbau wunderbar ergänzen. Holz ist in Sachen Wärme- und Schalldämmung dem Stroh unterlegen, dafür ist es für die Statik, für den Bau von tragenden Elementen ganz klar das beste Naturmaterial, das es gibt. Ganz sicher in einem Land wie Österreich, in dem der Wald täglich um eine Holzmenge für mehrere Einfamilienhäuser wächst. Beim Holzständerbau wird ein tragendes Holzskelett mit wärme- und schalldämmenden (und ein bisschen mittragenden) Strohballen ausgefacht. Eine in mehr als zwei Jahrzehnten Strohballenbautätigkeit in Österreich und Deutschland ausgereifte, bewährte Technik, die gegenüber anderen Strohballenbauweisen einige Vorteile aufzuweisen hat. Zusammenfassen könnte man diese folgendermaßen: Es ist die bautechnisch und baubehördlich am besten etablierte und dabei konsequent ökologische Alternativbauweise, die zugleich für maximale Einfachheit und Selbstbaufreundlichkeit steht.

Lehm, der Retter in der Klimakrise
Der Lehm schließlich, das wohl traditionellste Baumaterial überhaupt, erweist sich als perfekte Antwort auf die klimawandelbedingten Herausforderungen unserer Zeit. Lehm ist in der Lage, viel Feuchtigkeit aufzunehmen bzw. diese bei Trockenheit – z. B. in der Heizperiode – auch wieder an die Raumluft abzugeben. Im Zusammenspiel mit seiner hohen Wärmespeicherfähigkeit sorgt er für Ausgleich: Im Sommer hält er Innenräume kühl, im Winter warm – und das bei stets angenehmer Luftfeuchte. Temperatur und Luftfeuchte sind die beiden wesentlichen Parameter für das Raumklima: Als allgemeiner Richtwert gilt eine Raumtemperatur von 20°C bei 50% relativer Luftfeuchte als „sweet spot“ eines optimalen Raumklimas. D.h., abhängig von der Raumnutzung zwischen Wohnen, Schlafen, Hygiene usw., der Jahreszeit und individuellen Vorlieben bewegen sich die Werte für ein als angenehm empfundenes Raumklima um diesen „sweet spot“ herum.

Haus vom Acker
„Das Haus vom Acker“, als welches man Strohballenbauten mit den drei „Hauptzutaten“ Lehm, Holz und Stroh mitunter bezeichnete, ist es natürlich nur beinahe. Weil es nicht ohne Materialien wie z. B. Schaumglas fürs Fundament, Faserplatten oder Kalkputz für die Außenfassade geht, von Metall und Plastik für Installationen, Schrauben und Nägel einmal abgesehen. Alle diese zusätzlichen Materialien machen allerdings mengenmäßig wenig aus: Bewährte Strohballenbau-Partner der Zimmerei Erlinger wie die Strohnatur e.G. verweisen mit einigem Stolz darauf, ihre Gebäude „zu 98 Prozent“ aus ökologisch einwandfreien Baumaterialien zu errichten. Also nachwachsenden Rohstoffen wie Holz, Stroh, Hanf, Flachs oder Schilf bzw. quasi unbegrenzt verfügbaren, gesunden Materialien wie Lehm und Kalk.

S-House – die Formel 1 des Ökobaus
Einer der faszinierendsten Aspekte dieser Bauweise ist dabei, dass „das Haus vom Acker“ tatsächlich zu nahezu 100 Prozent umsetzbar ist, wie das vielfach preisgekrönte S-House in Böheimkirchen beweist. Dieser Musterbau, ein Projekt der Gruppe angepasste Technologie (Grat) der TU Wien, kostete 2005 rund eine Million Euro für 240 m2 umbaute Fläche und wäre damit nicht markttauglich. Marktfähigkeit war aber auch nie Ziel des heute als Veranstaltungs- und Nawaro-Infozentrum genutzten Baus. Vielmehr sollte es technische Möglichkeiten mit nachwachsenden Rohstoffen aufzeigen und das Konzept von Faktor 10 konsequent umsetzen, also ein Resultat mit gerade einmal einem Zehntel des Ressourcenverbrauchs zu erzielen, der bei einem konventionellen Bau anfiele. Dieses überaus ambitionierte Ziel wurde erreicht, allerdings waren damit zum Teil erhebliche Anstrengungen verbunden. So entwickelte man z. B. eigens eine massive Stroh-Schraube aus einem Holzverbundwerkstoff, die direkt ins Stroh geschraubt wird und deren Kopf als Montagefläche für den Innenausbau dient.

Strohballenbau-Klischees
Während also die Avantgarde der alternativen Bauweisen schon vor 15 Jahren aufgezeigt hat, wie viel Luft nach oben hin zu ökologischeren Verhaltensweisen besteht, ist der gewerbliche Strohballenbau noch immer wenig im Bewusstsein der breiten Masse angekommen. Wer noch nie von dieser Bauweise gehört hat, reagiert nahezu reflexhaft mit einer der folgenden Fragen: Ja brennt das nicht … wie Stroh? Bläst das nicht der nächste stärkere Sturm um (wie im Märchen von den drei Schweinchen)? Da fühlen sich bestimmt die Mäuse wohl, oder?

Strohballenwand im Brandtest
Also der Reihe nach: Ein einzelner Strohhalm brennt sprichwörtlich wie ein Strohfeuer ab, zusammengepresst als dichter Ballen (mit einem Volumengewicht bei 100 bis 130 kg/m3) fehlt es aber am wichtigsten für die Ausbildung eines Feuers: Sauerstoff. Eine beidseitig verputzte, mit Strohballen gedämmte Holzständerkonstruktion wurde einem Brandtest unterzogen und erreichte F90, die laut Bauordnung höchste Brandwiderstandsklasse. Die Strohballenwand hielt also 90 Minuten lang dem Feuer stand, womit Stroh mit Ziegel oder Beton gleichauf liegt. Bzw. gegenüber manch „konventioneller“ Bauweise sogar klare Vorteile hat: Sollte es tatsächlich zum Schlimmsten kommen, brennen Holz- und Strohbauten wesentlich vorhersagbarer ab als etwa Stahlbetongebäude, bei denen die strukturelle Integrität beim Überschreiten eines Kipppunktes von einem Moment auf den anderen drastisch nachlässt. Von den giftigen Gasen beim Verbrennen von synthetischen Dämmstoffen ganz zu schweigen.

Strohballenbauten: stabil und langlebig
Was die Stabilität von Strohbauten betrifft, sprechen wohl die Tausenden weltweit, insbesondere in den USA und Europa, verwirklichten Bauten die deutlichste Sprache. Das älteste Strohhaus Europas feierte 2020 sein hundertjähriges Jubiläum, in den USA stehen sogar noch ältere Gebäude. In Frankreich, dem Nabel der europäischen Strohballenbau-Welt, werden auch große Kommunal- bauten in Strohballenbautechnik errichtet, z. B. Kindergärten und Schulen, und beim Wohnbau ist man mittlerweile im 7. Stock angekommen. Auch in diesem Fall gilt: Die Wahrheit kehrt das Vorurteil ins Gegenteil um. Strohballenbauten sind nämlich ausgesprochen elastisch, weshalb sie etwa in puncto Erdbebensicherheit gegenüber anderen Bauweisen erhebliche Vorteile aufweisen.

Mäuse lieben Styropor
Zuletzt noch die Mäusefrage: Dazu muss man sich einmal klarmachen, dass Mäuse an Stroh grundsätzlich nicht interessiert sind – die Körner sind es, die haben sie zum Fressen gern. Die sind in Baustrohballen aber (so gut wie) nicht vorhanden. Wenn Nagetiere sich also irgendwo hineinwühlen, dann um einen Bau zu errichten. Das geht allerdings bei Styropor weitaus einfacher und besser als mit den scharfkantigen, holzigen Strohhalmen.

Nawaros und die Feuchtigkeit
Auch für Strohballenbauten gilt natürlich: Es muss ordentlich gemacht sein. Dann ist etwa das Nagetier- bzw. Ungezieferproblem überhaupt keines mehr, da eine ordnungsgemäß lehm- oder kalkverputzte Wand ein unüberwindbares Hindernis darstellt. Wenn es ein Problemfeld beim Arbeiten mit Baumaterialien aus nachwachsenden Rohstoffen gibt, so ist dies Feuchtigkeit und in der Folge mögliche Schimmelbildung. Begegnet wird dem mit geeigneter, professionell ausgeführter Konstruktion und der Verwendung qualitativ einwandfreier Strohballen; zudem haben Strohballenwände ein hohes Austrocknungspotenzial, eventuell eintretende Feuchtigkeit wird verlässlich auch wieder abgegeben.

Solides Handwerk
Stichwort ordentlich gemacht: Auch Strohballenbau ist natürlich Vertrauenssache. Da ist es gut zu wissen, dass dank der seit Jahren ausgeübten Ausbildungstätigkeit des ASBN (Österreichisches Netzwerk für Strohballenbau, Austrian Straw Bale Network) mittlerweile speziell geschulte Fachkräfte zur Verfügung stehen: Absolventen und Absolventinnen von STEP, das Strohballenbau-Training für europäische Professionisten. Diese Ausbildung zum zertifizierten Strohballenbauer / zur zertifizierten Strohballenbauerin umfasst 400 Stunden Theorie und Praxis, wurde mit Unterstützung der EU entwickelt und ist in das europäische Erwachsenenbildungs-Rahmenwerk ECVET eingebettet. Auch in anderen europäischen Ländern gibt es vergleichbare Weiterbildungsmöglichkeiten, etwa die Fachkraft Strohballenbau in Deutschland oder die besonders umfangreichen französischen Lehrgänge. Einige der STEPper sind auch Genossenschafter der bereits erwähnten Strohnatur e.G., wo sich die wohl größte Kompetenz und Erfahrung in Sachen Strohballen- bau in Österreich versammelt. Dieser Qualitätsanspruch zeigt sich dann auch in der Auswahl der Zimmereibetriebe, mit denen zusammengearbeitet wird: In der langjährigen Verbindung von Johannes Erlinger mit dem ASBN wie auch der Strohnatur e.G. vereinen sich Holz- und Strohballenbaukompetenz auf bestmögliche Weise.

Denk global, bau regional
Zwei wichtige Aspekte zeitgemäßer, also nachhaltiger und klimaschonender Baukultur, wurden noch nicht angesprochen: Sanierung und Regionalität. Abhängig vom konkreten Standort kann Strohballenbau sogar weitestgehend lokal sein, Stichwort einmal mehr: „Haus vom Acker“. In der Theorie wäre es bei einem Standort in unmittelbarer Nähe zu einem Wald und einem Getreideacker mög- lich, das Haus mit (fast) nichts als den lokalen Ressourcen zu bauen. Der Aushub für das Fundament wird als Lehmputz wiederverwendet, Holz und Stroh kommen von nebenan, die S-House-Techniken machen den Einsatz nicht nachwachsender Rohstoffe weitestgehend unnötig … Natürlich haben derlei Super-Ökokonzepte faktisch keine Marktrelevanz, Regionalität ist aber auch aus sehr konkreten und praktischen Gründen erstrebenswert: Die Nähe zur Baustelle der Professionisten (nicht mehr als max. 30–50 km) wie auch der verwendeten Baumaterialien hält den Transportaufwand klein und trägt damit erheblich zur CO2 -Einsparung bei; die Zusammenarbeit mit regionalen Firmen ermöglicht mehr Flexibilität bei Baubesprechungen oder kurzfristigen Korrekturwünschen; die Wertschöpfung bleibt im Bezirk. Mit der Entscheidung für Baumaterialien wie Lehm, Stroh und Holz entscheidet man sich, abhängig wiederum vom konkreten Standort, für regional verfügbare Ressourcen; die Einschränkung gilt, weil es wenige Länder wie Österreich gibt, in denen Holz in derartigem Überfluss vorhanden ist. Im Fall von Stroh gibt es z. B. auch in Österreich ein starkes Gefälle zwischen Niederösterreich, der alpenländischen Kornkammer, und allen übrigen Bundesländern (wobei es überall genügend gibt, um den Bedarf zu decken). Es ist natürlich kein Zufall, dass sowohl die Zimmerei Erlinger (Baden) als auch die Strohnatur e.G. in Niederösterreich ansässig sind.

Thermosanierung mit Stroh
Ebenfalls in aller Munde ist die Sanierung, konkreter: die thermische Sanierung. Schließlich ist der Energieverbrauch fürs Beheizen – und immer mehr auch fürs Kühlen – von Gebäuden einer der wesentlichsten Faktoren für die Überhitzung des Planeten. Auch dafür ist die Kombination Stroh, Holz und Lehm (Kalk) ideal, vorausgesetzt der erforderliche Platz ist vorhanden. Beim sogenannten „Wrapping“ wird die Fassade und/oder das Dach in Stroh eingepackt, die Gebäude werden also „dicker“; was bei Dämmstärken ab 20 cm plus Verputz schon einigen Freiraums bedarf. Ist dieser vorhanden, können Holz, Stroh und Lehm bzw. Kalk aber einmal mehr ihre innige Beziehung feiern: Die Holzkonstruktion dient als Aufhängung für die vorgesetzten Strohballen. Den Abschluss bildet die Putzschicht aus Lehm oder Kalk.

Strohbau ist einfach gut für uns
Zu guter Letzt hat der Strohballenbau auch eine (gesellschafts)politische Seite: Er ist Lowtech im besten Sinn des Wortes und ermöglicht Inklusion und Partizipation beim Baugeschehen. Strohballenbau bedeutet Empowerment, also Selbstermächtigung. Er legt vieles von dem, was uns durch hochkomplexe, vielfach undurchschaubare Technik, Normen, Lobbys, echte und falsche Sicherheiten, aber vor allem durch die Baustoffindustrie vorgegeben wurde, wieder in die Hände der Baufamilien, Planenden und HandwerkerInnen. Strohballenbau ist sozialverträglich auch in dem Sinn, dass es wohl in keinem anderen Baustellen-Zusammenhang so zahlreiche weibliche Beteiligung gibt. Und das steht für weit mehr als eine emanzipatorische Erfreulichkeit: Immer wieder hört man von Baufamilien großes Lob für den Umgangston auf Strohbaustellen, der sich wohltuend vom immer noch tendenziell groben und machohaften konventioneller Partien abhebe. Beschlossen werden soll dieser Artikel mit der Conclusio von Werner Sommer vom Public Relations Office der TU Wien, dessen „5 unschlagbare Vorteile – Stroh als moderner Baustoff“ im Anschluss zitiert werden: „Mit einem Wort: Stroh ist der innovative und zukunftsweisende Baustoff schlechthin.“

Anhang:
Strohnatur e.G. - http://www.strohnatur.at
ASBN - https://baubiologie.at/strohballenbau/
Zitat aus „Häuser aus Stroh – wohnlich und innovativ“ von Werner Sommer - https://www.tuwien.at/tu-wien/aktuelles/news/news/haeuser-aus-stroh-wohnlich-und-innovativ-1/

„5 unschlagbare Vorteile – Stroh als moderner Baustoff
Stroh erweist sich laut ÖNORM als ,normal brennbar‘. Der überprüfte Wandaufbau, eine beidseitig verputzte, mit Strohballen gedämmte Holzständerkonstruktion, wurde einem Brandtest unterzogen und erreichte die höchste Brandwiderstandklasse (F90), die die Bauordnung vorschreibt. F90 bedeutet, dass die Strohballenwand 90 Minuten lang dem Feuer standhält. Stroh ist somit um keinen Deut schlechter als Ziegel oder Beton.

Strohballenwandaufbauten entsprechen den hohen Anforderungen, die an Niedrigenergie- und sogar Passivhäuser gestellt werden. Grund dafür ist die geringe spezifische Wärmeleitfähigkeit (Messwert 10 trocken), die bei den getesteten Strohballen unter 0,04 W/mK liegt. Stroh liegt mit diesen Werten im Bereich anderer biogener (Kork, Flachs, Schafwolle) und mineralischer Dämmstoffe (Blähperlite, Glas- und Steinwolle).

Stroh ist auf Grund der hohen Pressdichte resistent gegen Nagetiere, Ungezieferbefall kann bei fehlerfreier Verarbeitung ebenfalls ausgeschlossen werden. Des weiteren haben Messungen ergeben, dass eintretende Feuchtigkeit nach ca. 6 Wochen aufgrund des hohen Austrocknungspotenzials der Strohballenwand verdunstet und keine bleibenden Schäden hinterlässt.

Stroh lässt sich zudem ausgezeichnet mit anderen ökologischen Baustoffen, wie z. B. Lehmverputzen, kombinieren. Die baubiologischen Vorteile, die gesundes Wohnen ausmachen – schadstofffreie Raumluft, ausreichende Luftfeuchte und warme Wandoberflächen – können somit problemlos vereint werden.

Auch der Energieverbrauch bei der Herstellung des Baustoffs Stroh ist unschlagbar. Der Primärenergiebedarf, also die Energie, die bei der Erzeugung der Strohballen anfällt,“ beläuft sich auf wenig mehr als ein Zehntel von dem vergleichbarer „Konstruktionen. Während eine Betonwand mit einer EPS- Dämmung (EPS=Expandiertes Polystyrol, z. B. Styropor) über 1500 Mega Joule(MJ)/m2 verbraucht, kann eine Strohwand mit 190 MJ/m2 hergestellt werden.“